Jüngere kehren ins TV zurück

Die Corona-Krise hält die Welt in Atem. In dieser unsicheren Zeit, in der viele Menschen zu Hause bleiben müssen, steigt das Bedürfnis nach Information und Ablenkung. Die derzeitige Ausnahmesituation spiegelt sich spürbar in der TV-Nutzung wider, die im März 2020 deutlich ansteigt.

Vor allem jüngere Zielgruppen kehren auf der Suche nach qualitativ hochwertiger Information zum linearen Fernsehen zurück. Der langfristige Abwärtstrend, das Abwandern junger Zielgruppen in andere Medienkanäle, ist vorerst gestoppt.

Sogar Werbung wird von den Zuschauern gewünscht, weil es die "Sehnsucht nach Normailität" befriedigt, so die Ergebnisse einer aktuellen Analyse der AGF Videoforschung.

Der größte Treiber für die Rückkehr ins TV sind die Nachrichten

"Sie vermitteln relevante Informationen, werden zur Tagesklammer und zur Richtschnur für das weitere Handeln der Menschen. Fernsehen wird das Fenster zur Welt", sagt Kerstin Niederauer-Kopf, Vorsitzende der Geschäftsführung der AGF Videoforschung. Unterhaltende TV-Formate, insbesondere Reality-Shows, werden wiederum als Realitätsersatz wahrgenommen.

In diesen Tagen kommt auch Werbung eine besondere Funktion zu: Sie vermittelt Normalität, etabliert Vertrauen in die Zukunft und wird in einer Zeit, in der der Einkauf von Lebensmitteln eine der wenigen Möglichkeiten ist, das Haus zu verlassen, besonders aufmerksam wahrgenommen. Onlineshopping dient einmal mehr als virtueller Ersatz fürs reale Bummeln.

Das sind zentrale Ergebnisse einer umfangreichen zweiteiligen Analyse der AGF Videoforschung. Sie basiert auf den TV-Nutzungsdaten der AGF sowie einer tiefenpsychologischen Analyse des Instituts Rheingold Salon im Auftrag der AGF. Mit der Verbindung von qualitativer und quantitativer Forschung will dieser Ansatz das "Wie" und "Warum" erklären und dies nachhaltig über ein "Was" und "Wieviel" quantifizieren.

Dazu wurden in der Zeit vom 30. März bis zum 3. April diesen Jahres 16 einstündige Tiefeninterviews in unterschiedlichen Altersgruppen geführt und evaluiert sowie die Phänomene über die klassischen AGF-Daten quantifiziert. Vertiefend hat die AGF gemeinsam mit dem Daten-und Softwarespezialisten DAP eine umfangreiche Analyse auf Basis der AGF-Nutzungsdaten der Jahre 2017 und folgende zur Entwicklung eines Trendmodells aufgesetzt. Diese soll den aktuellen Corona-Effekt unter Berücksichtigung des Trends zu evaluieren.

„Junge Zielgruppen, die in den vergangenen Jahren den Negativtrend in der TV-Nutzung vorangetrieben haben, kehren aktuell zurück. Dies zeigt sich deutlich in den Nutzungsdaten der AGF. Das ist eine einmalige Möglichkeit für Programmmacher und Werbungtreibende, Menschen anzusprechen, die durch ihre fragmentierte Mediennutzung in Masse nur noch schwer zu erreichen sind“, so Kerstin Niederauer-Kopf. „Jetzt ist die Zeit für Marken-Education“, erläutert Ines Imdahl, Geschäftsführerin und Gründerin des Rheingold Salons.

Zu den Ergebnissen im Einzelnen:

DEUTLICHER CORONA-EFFEKT: NETTOREICHWEITEN- UND SEHDAUER-ENTWICKLUNG IM MÄRZ 2020

Die Corona-Krise hat sich im März massiv auf die TV-Nutzung ausgewirkt. So ist die Nettoreichweite, also der Anteil der Menschen, die im März 2020 mindestens einmal Kontakt mit dem Medium hatten, spürbar gestiegen und zwar von 72,0 Prozent im Februar auf 75,0 Prozent im März 2020. Im direkten Vorjahresvergleich fällt die Steigerung ausgehend von 70,9 Prozent noch deutlicher aus. Fernsehen hat damit deutlich mehr Menschen erreicht. Dies zeigt sich auch im Vorjahresvergleich der Zielgruppe der 14 bis 49-Jährigen mit einer Steigerung von 3,5 Prozentpunkte von 60,5 auf 64,0 Prozent.

Auch die Streaming-Nutzung bei den unter AGF-Messung befindlichen Angeboten steigt: Bei den 14- bis 49-Jährigen ist die Netto-Reichweite im März 2020 im Vergleich zum Januar 2020 um 9,8 Prozent gestiegen.

Es haben aber nicht nur mehr Menschen im TV eingeschaltet, sondern die deutschsprachige Bevölkerung ab 3 Jahre, die die Basis für die Erhebung der AGF darstellt, hat auch deutlich mehr und intensiver ferngesehen: Im März, also dem Monat, in dem in Deutschland drastische Maßnahmen zum Eindämmen der Epidemie ergriffen wurden, lag die Sehdauer im Gesamtpublikum mit durchschnittlich 244 Minuten um ganze 18 Minuten beziehungsweise 7,9 Prozent über dem Vorjahresmonat und damit auf einem Rekordniveau: Es ist der Monat mit der elfhöchsten Nutzung seit Start der Reichweitenmessung durch die AGF Videoforschung im Jahr 1988. Auch im Vergleich zum Februar 2020 zeigen sich deutliche Effekte: Binnen eines Monats stieg die Sehdauer um 6,5 Prozent. Das entspricht einem Plus von 15 Minuten.

"Insbesondere die jüngere Zielgruppe wendet sich dem Medium TV derzeit wieder stärker zu", sagt Kerstin Niederauer-Kopf. Bei den 14- bis 49-Jährigen lag die Sehdauer im März bei 157 Minuten – 10 Prozent über dem Niveau vom Februar 2020. Bei den 14- bis 19-Jährigen lag das Plus bei 8 Minuten oder 15,2 Prozent. Bei den 20- bis 29-Jährigen waren es 12 Minuten mehr im Vergleich zum Vormonat. Gerade in den Zahlen der jüngeren Zielgruppen zeigt sich damit eine deutliche Abkehr vom rückläufigen Trend.

TRENDANALYSE: TV-NUTZUNG ENTKOPPELT SICH VOM LANGFRISTIGEN TREND

Die aktuelle Entwicklung der steigenden Sehdauern und Nettoreichweiten ist insofern bemerkenswert, als dass die Nutzungswerte für Fernsehen in den vergangenen Jahren rückläufig waren. Berücksichtigt man den negativen Trend der Jahre 2017 und folgende und schreibt diesen fort, treten die Corona-Effekte noch viel deutlicher zu Tage und sind damit umso auffälliger.

Ab 10. März, dem Tag, an dem ganz Italien zur Sperrzone erklärt wurde, weicht die Nutzung für alle Zielgruppen deutlich vom langfristigen Trend ab. "Dieser Trend beschleunigt sich massiv ab dem 16. März, dem ersten Tag der bundesweiten Schließung von Schulen und Kindergärten", erklärt Niederauer-Kopf. Statt der ‚erwarteten‘ 132 Minuten, ist die Sehdauer ab diesem Zeitpunkt gerade in der jüngeren Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen um fast 28 Prozent auf durchschnittlich rund 168 Minuten am Tag gestiegen. Auch in anderen Zielgruppen sind diese Effekte deutlich sichtbar. "Dieser Anstieg zeigt, dass sich die Menschen in unsicheren Zeiten wieder mehr Medien und journalistischen Medienmarken zuwenden, denen sie vertrauen", sagt Niederauer-Kopf.

Bei der Entwicklung der Netto-Reichweite sind erste Effekte ab 13. März sichtbar, also dem Wochenende vor den Schulschließungen. Beachtlich werden die Ausschläge auch hier ab 16. März. So ist die durchschnittliche Nettoreichweite unter Annahme des negativen Trends bei den 14- bis 49-Jährigen um 11,9 Prozent höher als erwartet und beläuft sich zwischen 16. und 31. März auf 22,243 Millionen. Im Gesamtpublikum lag der Zuwachs bei 8,8 Prozent.

NACHRICHTEN WERDEN ZUR KLAMMER FÜR DEN TAG

Besonders Nachrichten sind ein Treiber für die gestiegene TV-Nutzung der jüngeren Zielgruppen. Die kumulierte Nettoreichweite* über alle Nachrichtenformate ist bei den 14- bis 49-Jährigen im März 2020 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,4 Prozent auf 88,1 Prozent angestiegen. Drei Viertel der 14- bis 19-Jährigen suchten zu festen Einschaltzeitpunkten über die etablierten öffentlich-rechtlichen und privaten Nachrichtensender nach Informationen – das entspricht einem bemerkenswerten Zuwachs von 17,4 Prozent. Auch bei den 20- bis 29-Jährigen ist die Reichweite deutlich angestiegen, so dass sich insgesamt im März 79,9 Prozent der 14- bis 29-Jährigen mindestens einmal über einen TV-Sender informiert haben – das heißt 10,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum und ein Plus von 6,5 Prozent gegenüber dem Vormonat.

"Aktuelle, seriöse und gut recherchierte Informationen werden besonders in schwierigen Zeiten von allen Altersgruppen gesucht und geschätzt und damit erreichen wir mit einem klassischen Massenmedium auch deutlich mehr Zuschauer in jüngeren Alterssegmenten. Dies ist umso bemerkenswerter, weil der Nutzungsanstieg über Sender mit langjähriger Berichterstattungskompetenz getrieben wird, die ein eher älteres Zielpublikum ansprechen", sagt Niederauer-Kopf.

Blickt man gesondert auf die einzelnen Kalenderwochen des März, so zeichnet sich dort im Laufe des Monats eine Veränderung der Nachrichtennutzung ab: In der Kalenderwoche 12, in die der Beginn des Shutdowns mit den Schulschließungen und Einschränkungen des täglichen Lebens fällt, lag die Nutzung von Nachrichtenformaten sowohl bei den Erwachsenen ab 14 Jahren als auch bei den 14- bis 49-Jährigen mit Sehdauern von 222 beziehungsweise 127 Minuten bislang am höchsten. Gleiches gilt für Talks, und Reportagen.

"Nachrichten bieten in der Krise für Menschen – auch für die ganz jungen – eine Tages-Klammer: Das heißt, morgens und abends wird nach Fakten gesucht. Für manch einen Unter-20-Jährigen ist es das erste Mal, dass regelmäßig Nachrichtenformate geschaut werden. Sie finden darin eine Alltagsstruktur als auch – wie viele ältere ebenfalls – eine Handlungs-Richtschnur: Wohin darf ich noch mit wem gehen? Brauche ich einen Mundschutz?", erklärt Rheingold-Salon-Inhaberin Ines Imdahl. Weitere zentrale Motive für das Nachrichten-Schauen sind die Bearbeitung der "inneren Panik" durch vernünftig recherchierte Informationen – als auch die heimliche "Hoffnung auf ein unvorhergesehenes Wunder: dass es doch schneller einen Impfstoff gibt als erwartet oder ein Medikament funktioniert".

ABLENKUNG VON DER CORONA-ANGST

Das große Bedürfnis nach aktueller Information findet jedoch auch einen Gegenpunkt: Die Menschen suchen nach Ablenkung. In den tiefenpsychologischen Interviews zeichnet sich ab, dass die Zuschauer Sendungen ansteuern, die Themen aus dem normalen Leben aufgreifen wie beispielsweise Kochen, Shoppen, Daten und Reisen. "Solche Formate bieten, was derzeit nicht mehr möglich ist: ausgiebig Einkaufen gehen, sich treffen, Restaurants besuchen und Reisen. Sie sind eine Art Realitätsersatz", sagt Kerstin Niederauer-Kopf. "Daneben gibt es das zweite Motiv: der 'Vergewisserungs-Wunsch', dass die Welt draußen trotz Corona noch existiert, man an ihr teilhaben kann und es etwas Schönes geben wird, dass man sich später wieder gönnen kann", führt Imdahl aus.

Das zeigt sich auch in den AGF-Daten. Im Genre Factual Entertainment/Reality ist die Sehdauer im März 2020 bei den 14- bis 49-Jährigen im Vorjahresvergleich um 29,7 Prozent auf 743 Minuten gestiegen, bei den 14- bis 29-Jährigen um 21,4 Prozent auf 497 Minuten und bei den Erwachsenen ab 14 Jahren sogar um 33,9 Prozent auf 1021 Minuten. Gegenüber dem Vormonat Februar 2020 lagen die Steigerungen in allen drei Zielgruppen ebenfalls bei deutlich über 10 Prozent.

Auch Shows standen zuletzt bei den Zuschauern hoch im Kurs – hier treiben ebenfalls die jüngeren Zuschauer den Nutzungsanstieg. Im März 2020 sahen die 14- bis 49-Jährigen 579 Minuten Sendungen wie Let’s Dance, The Masked Singer, Kitchen Impossible und Germany’s Next Topmodel – eine Steigerung von 20,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei den 14- bis 29-Jährigen lag der Zuwachs zum Vorjahr bei 11,1 Prozent. Bei den Erwachsenen ab 14 Jahre lag das Plus bei 1,8 Prozent. Verglichen mit dem Vormonat Februar 2020 legten die 14- bis 29-Jährigen mit einem Nutzungsplus von 32,8 Prozent am deutlichsten unter den hier betrachteten Zielgruppen zu.

Serien bleiben gegenüber dem Vorjahr in der Zielgruppe der Erwachsenen ab 14 Jahre auf hohem Niveau konstant. In den jüngeren Zielgruppen müssen im Vorjahresvergleich allerdings leichte Verluste verbucht werden. Diese Entwicklung könnte darauf zurückzuführen sein, dass Serien auch zunehmend über Videoplattformen wie Netflix, Amazon Prime, TV Now und Joyn gesehen werden. Im Vergleich zum Februar 2020 legen Serien jedoch zu. „Das legt nahe, dass der Corona-Effekt auch auf linear ausgestrahlte TV-Serien abstrahlt“, so Niederauer-Kopf.

Rückläufig ist dagegen der Sport. Die Streichung von Spielen und Turnieren und damit auch der Übertragungen führt unweigerlich zu einem deutlichen Einbruch. Insgesamt ist die Sehdauer im März 2020 sowohl im Vergleich zum Vorjahresmonat als auch zum Vormonat um ungefähr die Hlfte eingebrochen. "Der starke Anstieg bei Shows und der Rückgang bei Sport zeigt einmal mehr, dass Live-Events und Live-Berichterstattung Kernkompetenzen von TV sind", sagt Niederauer-Kopf.

WERBUNG BEFRIEDIGT SEHNSUCHT NACH NORMALITÄT

Im Auftrag der AGF ist Ines Imdahl in den Tiefeninterviews auch der Frage nachgegangen, wie Werbung derzeit von den Menschen angenommen und wahrgenommen wird. Genauer: Wie wirkt unangepasste Werbung? Wie wirkt auf die Situation angepasste Werbung? Und wie würde ein Aussetzen der Werbebotschaften verstanden werden?

Die Ergebnisse sind auf den ersten Blick überraschend: Gerade die jüngeren Zuschauer, die von der Werbewirtschaft in den vergangenen Jahren vor allem digital angesprochen worden sind, stehen Werbung auch unter dem Einfluss von Corona offen und sehr positiv gegenüber. Sie erleben zum Teil erstmalig Marken- und Imagekampagnen – die sie durchaus positiv überraschen, weil sie diese so nicht erwartet haben. Bei allen Altersgruppen war die Werbung 'Spiegel einer normalen Welt' – und das bedeutet, dass die Menschen nicht nur der Situation angepasste Werbung wollen, sondern auch unangepasste Werbung. Produktneuheiten, die jetzt den Alltag – gerade auch den der Jüngeren – bereichern, werden besonders geschätzt und sogar aktiv in der Werbung gesucht. "Junge Menschen vermitteln deutlich, dass sie nur über den Konsum und den Kauf dieser Produkte am realen Leben noch teilnehmen können und sich ein Stück Normalität verschaffen", so die Psychologin.

"Die Werbung vermittelt zudem notwendige Informationen – nicht nur zum Produkt selbst, sondern auch zur Erhältlich- und Verfügbarkeit. Dies insbesondere in Zeiten, in denen Menschen – und vor allem junge Menschen – zwar Konsumbedarf, ja sogar Lust, verspüren, diese durch die behördlichen Maßnahmen allerdings nicht ausnutzen können", sagt Niederauer-Kopf. "Die Generation Instagram wundert sich sogar, warum im TV nicht direkt Shopping-Empfehlungen zu Looks und Produkten abgerufen werden können", so Ines Imdahl.

Der Situation angepasste Werbung – vornehmlich Imagewerbung – wird ebenfalls goutiert. "Die Initiativen einzelner Unternehmen zeigen den Kollektivgedanken und weisen auf ein Miteinander hin, das durchweg positiv bewertet wird. Aber hier ist Maßhaltung angesagt – der Mensch wünscht sich in diesen Zeiten Normalität", sagt Kerstin Niederauer-Kopf.

Ein Aussetzen der Werbung wird hingegen regelrecht als beängstigend empfunden. Gerade die TV-Werbung ist der unbewusste Gradmesser für die bestehende Hoffnung und das Durchhalten-Können! "Keine Werbung mehr zu schalten, wäre das Signal dafür, dass die Unternehmen aufgegeben haben" – sagen fast alle Befragten in der tiefenpsychologischen Studie.

"Werbung verbreitet in der jetzigen Situation Zuversicht und Hoffnung und bietet aktuell die Chance, eine Marken-Education auch bei jungen Zielgruppen zu realisieren", erläutert Ines Imdahl. "Werbungtreibende haben so die Möglichkeit, nun Zielgruppen anzusprechen, die sie normalerweise nur sehr schwer erreichen können. Die hohen Reichweiten und auch die Offenheit für Werbebotschaften sind jetzt gegeben. Das ist eine gute Botschaft für Werbung- und Werbetreibende", fasst Niederauer-Kopf zusammen.

CORONA HEBELT AUCH DIE STREAMING-NUTZUNG

Plattformen wie Amazon, Netflix und Youtube dürften ebenfalls stark von der veränderten Situation profitieren. Das ist das Ergebnis einer technischen Sonderanalyse der AGF. Die AGF erfasst umfangreich Bewegtbildnutzung auf einer Vielzahl von Geräten und ist mit ihrem Messinstrumentarium in der Lage, auch potentielle Streaming-Nutzung zu erfassen, selbst wenn die Anbieter nicht aktiv unter AGF-Messung sind.

Auch wenn die AGF-Messung bislang noch keine präzise Zuordnung der aggregierten Nutzung auf die einzelnen Plattformen zulässt, so können über die Verortung so genannter technischer Einträge Nutzungen auf einzelne Empfangsquellen (Streaming Box/Stick, IP-Decoder, etc.) zurückgeschrieben werden. Dies lässt auf hochaggregiertem Niveau Streaming-Nutzung antizipieren. Die Erfassung dient derzeit ausschließlich der Qualitätssicherung. Diese Nutzung wird nicht der klassischen TV-Nutzung, sondern der Screen-Nutzung zugerechnet.

Darunter fällt beispielsweise die Nutzung der US-Plattformen Amazon, Netflix, YouTube und aller anderen Angebote, die nicht unter AGF-Messung stehen. Diese so genannten technischen Einträge haben sich seit Mitte März ebenfalls deutlich verändert. Die durchschnittliche Sehdauer in Sekunden ist sprunghaft angestiegen. Da eine Analyse eine Aufsplittung nach Anbieter jedoch nicht zulässt, lässt sich beispielsweise nicht ermitteln, wie groß auch der Effekt ist, den der Start des Streaming-Dienstes Disney+ am 24. März auf die Daten hat.

Auch die Entwicklung dieser Nutzungsbestandteile hat sich die AGF im Trend angesehen – also verglichen mit der Entwicklung, die sich voraussichtlich ohne den Ausbruch von Corona eingestellt hätte. Anders als für die TV-Nutzung wird hier kein negativer, sondern ein positiver Trend unterstellt. Auch für diese Analyse gilt, dass seit der Verschärfung der Corona-Krise die Nutzungen deutlich stärker anwachsen als in der Trendprognose angenommen. „Wir sehen hier ebenfalls einen starken Effekt, der von der Stärke – wenngleich auf deutlich niedrigerem Nutzungsniveau – mit dem TV-Effekt vergleichbar ist“, so Kerstin Niederauer-Kopf.

Dieser Effekt zeigt sich auch in der Nutzungsanalyse der unter AGF-Messung stehenden Streaming-Angebote der Broadcaster wie die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen und den Plattformen der Privatsender. Die Netto-Reichweite ist in der Zielgruppe der 14-49-Jährigen von Januar 2020 auf März 2020 um knapp 10 Prozent gestiegen.

* Kumulations- und Frequenzanalyse (p-Werte), Programmcodierung light: 110, alle Sender, Mo-So, 3-3 Uhr

www.agf.de

 

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