Generation "Gesund leben und Geld verdienen"

In Brandenburg wurde eine umfangreiche, repräsentative Jugendstudie vorgelegt. Rechtsextreme Einstellungen von Jugendlichen haben seit der letzten Studie (2017) demnach nicht weiter zugenommen, sind aber auf einem hohen Niveau. Weiter zeigt die Studie, dass Jugendliche in Brandenburg kaum dazu bereit sind sich politisch zu engagieren. Auch die Bereitschaft sich an Wahlen zu beteiligen ist rapide gesunken.

Die Mehrheit der Jugendlichen lehnt rechtsextreme Aussagen ab, fast die Hälfte stimmt aber rechten Aussagen zu. Bei dem erstmals abgefragten Themenfeld Diskriminierung fällt auf, dass rund ein Drittel der Schülerinnen und Schüler mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft Diskriminierungserfahrungen gemacht hat.

Das Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung (IFK) an der Uni Potsdam hat Ende 2022/Anfang 2023 insgesamt 3.124 Kinder und Jugendliche befragt. Die Studie "Jugend in Brandenburg“ wird seit 1991 regelmäßig im Auftrag des Brandenburger Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) durchgeführt. Von Beginn an wurden auch die Themen Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus untersucht. Die aktuelle Studie erhebt erstmals auch Aussagen zu Diskriminierungserfahrungen.

Lebensbedingungen, Zukunftsoptimismus und Partizipation

Lebenszufriedenheit: Brandenburgische Jugendliche sind mit allen erfassten Aspekten ihrer Lebenssituation mehrheitlich "zufrieden" oder "eher zufrieden". Hohe Zufriedenheit herrscht insbesondere mit der Wohnsituation (2017: 70,4 %; 2022: 72,4 %) sowie mit Freundschaften (2017: 70,3 %; 2022: 68,4 %) und der Beziehung zu den Eltern (2017: 67,2 %; 2022: 68,6 %). Fortgesetzt hat sich der leicht ansteigende Trend zur Zufriedenheit in den Bereichen "Finanzielle Lage" (2017: 46,1 %; 2022: 48,3 %) und "Freizeitmöglichkeiten" (2017: 48,2 %; 2022: 51,1 %). Dennoch ist immer noch knapp jeder fünfte Jugendliche mit seiner finanziellen Lage "unzufrieden" oder "eher unzufrieden".

Betrachtet man alle Aspekte der Lebenszufriedenheit zusammen – dazu gehören auch die Schul- bzw. Ausbildungssituation, die Gesundheit und die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung – dann sind mehr als 95 von 100 Befragten "zufrieden" (2017: 73,5 %; 2022: 73,7 %) oder "eher zufrieden" (2017: 23,4 %; 2022: 22,6 %). Eine Minderheit von 3,5 Prozent ist "eher unzufrieden" (2017: 3 %), und nur 0,2 Prozent der Jugendlichen sind gänzlich "unzufrieden" (2017: 0,1 %) mit ihrer Lebenssituation.

Lebensziele: Ein gesundes Leben zu führen, besitzt für brandenburgische Jugendliche eine besonders hohe Bedeutung. Ähnlich wie in der Jugendstudie im Jahr 2017 schätzen auch in der aktuellen Studie fast drei Viertel der Jugendlichen die Wertorientierung "Gesund leben" als "sehr bedeutsam" und mehr als ein Fünftel als "bedeutsam" ein. Seit Jahren hat dieser Aspekt beständig an Bedeutung gewonnen ("sehr bedeutsam" 2005: 56,3 %; 2010: 59,8 %; 2017: 73,1 %; 2022: 74,6 %). Insbesondere jüngere Jugendliche und weibliche Befragte messen einem gesunden Lebensstil eine hohe Bedeutung bei.

Bereits seit Langem von sehr hoher Bedeutung für brandenburgische Jugendliche ist das Lebensziel, eine erfüllende Arbeit zu haben (2017: 68,2 %; 2022: 63 % "sehr bedeutsam"), gefolgt von einem genussvollen Leben (2017: 61,9 %; 2022: 62 %). Materielle Aspekte haben seit 2017 deutlich zugenommen. Der Wunsch "Materiell abgesichert sein" hat von 42,8 Prozent (2017) auf 56,8 Prozent zugenommen. Das Ziel "Viel Geld verdienen" halten 35,3 Prozent der Jugendlichen für "sehr bedeutsam" (2017: 24 %).

Mitwirkungsmöglichkeiten: Gut die Hälfte der Jugendlichen (53,8 %) ist der Ansicht, dass die Stadt oder Gemeinde viele Beteiligungsmöglichkeiten bietet. Doch sind lediglich 35 Prozent von ihnen der Meinung, dass die Kommune ihre Interessen in der Politik auch berücksichtigt.

Vor allem Mitwirkungsmöglichkeiten wie Befragungen (21,6 %), Online-Befragungen (21,4 %) oder ehrenamtliches Engagement wie Müllsammeln oder Durchführung von Festen (15,5 %) wurden von den befragten Jugendlichen schon wahrgenommen. Am häufigsten haben sich die Jugendlichen schon einmal an der Auseinandersetzung über "Schulhofgestaltung" (28,3 %), "Auswahl des Essensanbieters in der Schule" (19,1 %) sowie "Pflege/Bau von Sportanlagen oder Spielplätzen" (16,9 %) beteiligt. Die Mehrheit der Jugendlichen (62,4 %) hat schon mindestens einmal eine politische Beteiligungsform (z. B. Demonstration, Bürgerinitiative, Unterschriftenaktion) genutzt. Die befragten Schülerinnen und Schüler beteiligen sich vor allem aktiv an Wahlen (34,5 %), Unterschriftenaktionen oder Online-Petitionen (29,3 %) oder nehmen an Demonstrationen teil (22,7 %).

Berufsbezogene Zukunftserwartungen: Der berufsbezogene Zukunftsoptimismus liegt in etwa auf dem Niveau des Jahres 2017, in dem der höchste Stand seit der ersten Erhebung im Jahr 1993 zu verzeichnen war. 87,5 Prozent der Jugendlichen blicken mit einem "hohen" oder "eher hohen" berufsbezogenen Optimismus in die Zukunft (2017: 88,8 %).

Jugend als Spiegel der Gesellschaft

Erleben aktueller Krisen: Am bedrohlichsten wird von den Jugendlichen die "Inflation" (62,7%) und eine "mangelnde Energieversorgung" (49,2 %) wahrgenommen. Am wenigsten bedrohlich erscheint den Jugendlichen die Corona-Pandemie (9,6 %). Mit Blick auf den Krieg gegen die Ukraine haben Jugendliche vor allem Angst davor, dass es zu einem Einsatz von Atomwaffen kommt (69,1 %). Viele Jugendliche befürchten negative Auswirkungen auf die finanzielle Situation ihrer Familie (69 %) und, dass der Krieg noch lange dauert (68,2 %). Die Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen gehört zu den – im Vergleich zu anderen Aspekten – als weniger beängstigend wahrgenommenen Kriegsauswirkungen (63,8 %). Dabei bestehen starke Zusammenhänge zwischen der Angst vor der Aufnahme weiterer Flüchtlinge und "Ausländerfeindlichkeit" sowie Rechtsextremismus.

Kontrollüberzeugungen: Eine hohe internale Kontrollüberzeugung (Überzeugung, "seines eigenen Glückes Schmied zu sein") stärkt die Zufriedenheit sowie die psychische und physische Gesundheit. Eine hohe externale Kontrollüberzeugung (Gefühl der "Fremdbestimmtheit") begünstigt Politikverdrossenheit, Gewaltbereitschaft, "Ausländerfeindlichkeit" und Rechtsextremismus. Die meisten brandenburgischen Jugendlichen empfinden eine "niedrige" oder "eher niedrige" externale Kontrolle (65,3 %), aber der Anteil der Jugendlichen, die sich "fremdbestimmt" fühlen, ist so hoch wie noch nie seit 1996.

"Ausländerfeindlichkeit", Rechtsextremismus und Diskriminierung

Die Anfälligkeit für rechtsextreme Einstellungen unter Schülerinnen und Schülern ist zwischen 1993 und 2010 deutlich gesunken. Während im Jahr 2017 ein sehr deutlicher Anstieg zu verzeichnen war, ist die Anfälligkeit 2022/2023 insgesamt wieder leicht gesunken. Auffallend bleibt, dass Jungen häufiger Zustimmung zu ausländerfeindlichen und rechtsextremen Aussagen zeigen als Mädchen.

Ausländerfeindlichkeit

Die Mehrheit der Jugendlichen ist "eher" oder "völlig" der Meinung, man solle "Ausländer" willkommen heißen (64,9 Prozent), "Ausländer" seien eine Bereicherung für Deutschlands Kultur (50,5 Prozent) und "Ausländer" sollen auf dem Arbeitsmarkt gleiche Chancen wie Deutsche bekommen (89,1 Prozent). Dagegen sind 44,1 Prozent der Jugendlichen "eher" oder "völlig" der Meinung, es gebe in Brandenburg "zu viele Ausländer", 48,2 Prozent denken, dass "Ausländer" zu Problemen auf dem Wohnungsmarkt führen.

Rechtsextremismus

Die Mehrheit der Jugendlichen lehnt jeweils alle erhobenen rechtsextremen Aussagen ab. Aber fast die Hälfte (47,2 Prozent) meint "eher" oder "völlig", dass "Schluss mit dem Gerede über unsere Schuld gegenüber den Juden" sein solle. Jeweils fast ein Viertel (24,0 Prozent) ist der Meinung, der Nationalsozialismus habe "auch seine guten Seiten gehabt" und die Deutschen seien "anderen Völkern überlegen" (22,8 Prozent).

Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus nach Schulform:
Ausländerfeindlichkeit ist an Oberschulen (39,4 Prozent) und Oberstufenzentren/ OSZ (37,9 Prozent) verbreiteter als an Gymnasien (23,9 Prozent). Rechtsextremismus ist vor allem an Oberschulen im Vergleich zu den anderen Schulformen verbreitet (24,6 Prozent).

Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus nach Altersgruppen:
Die jüngeren Jugendlichen stimmen "ausländerfeindlichen" Aussagen etwas seltener "völlig" oder "eher" zu als die älteren. Rechtsextremen Aussagen stimmen die jüngeren Jugendlichen deutlich häufiger zu als die älteren.

Diversität und Diskriminierung

Personen mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft erfahren Diskriminierung vor allem aufgrund von "Herkunft/Ethnie" (31,9 Prozent), "Religion" (20,2 Prozent) und "Sonstiges" (37,2 Prozent). Sie erleben aber auch in anderen Bereichen mehr Diskriminierung als Deutsche. Deutlich mehr Mädchen (29,5 Prozent) berichten von Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts als Jungen (9,0 Prozent). Nur wenige der befragten Jugendlichen bezeichnen sich nach eigenen Angaben als "divers" (n = 49), daher sind Aussagen über diese Gruppe mit einer deutlich erhöhten Ungenauigkeit behaftet. "Diverse" Jugendliche berichten sehr häufig von Diskriminierungserfahrungen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität (72,6 Prozent) oder sexuellen Orientierung (63,7 Prozent).

Hintergrund

Seit 1991 werden Veränderungen ausgewählter Lebensbedingungen und Einstellungen Jugendlicher im Land Brandenburg in unterschiedlichen zeitlichen Abständen erfasst. Einschließlich der vorliegenden Untersuchung wurden bisher neun Studien durchgeführt. Für die die aktuelle Studie wurden von November 2022 bis Januar 2023 insgesamt 3.142 Schülerinnen und Schüler an 36 allgemeinbildenden Schulen und OSZ des Landes Brandenburg befragt. Die Studie ist repräsentativ: Alle Altersgruppen, Schulformen und Regionen sind angemessen vertreten (Ausnahme: Oberspreewald-Lausitz). Die Daten wurden für die deskriptiven Analysen gewichtet. Die komplette Studie finden Sie hier.

mbjs.brandenburg.de