"Lebensmittel-Ampel" krempelt das Marketing um

Die erweiterte Nährwertkennzeichnung Nutri-Score® soll auch in Deutschland kommen. Das Nutri-Score®-Modell hat sich in einer vom Bundesernährungsministerium beauftragten Verbraucherbefragung als am verständlichsten herausgestellt. Ministerin Julia Klöckner hat angekündigt, das Modell bei der Europäischen Kommission zu notifizieren, damit Unternehmen es in Deutschland künftig freiwillig nutzen können.

Das Ernährungsministerium hatte im Vorfeld über das Max Rubner-Institut eine ernährungswissenschaftliche Analyse zahlreicher Modelle durchführen lassen* (dies ist europarechtlich zwingend vorgeschrieben) und dann alle Beteiligten an einen Tisch geholt. Gemeinsam mit den Koalitionsfraktionen, dem Verbraucherzentrale Bundesverband und dem Lebensmittelverband Deutschland (BLL) hatte sie beschlossen, welche Modelle genau in die Verbraucherforschung gegeben werden – die eine europarechtliche Voraussetzung für die Notifizierung ist. Deren Ergebnis liegt nun vor – ein entsprechender Verordnungsentwurf soll zeitnah von der Bundesernährungsministerin vorgelegt werden.

Für das Marketing von Lebensmittelprodukten ist die "Nährwert-Ampel" eine große Herausforderung – kann aber für Unternehmen, die ihre Produkte entsprechend anpassen, auch Chancen bedeuten.

Neben dem Nutri-Score®-Modell wurden das MRI-Modell, das Keyhole- und das BLl-Modell diskutiert – im Grunde vom Grundprinzip her sehr ähnliche Modelle mit anderen Vor- und Nachteilen. Eine sehr gute Zusammenstellung der verschiedenen Modell bietet die Stiftung Warentest

Kernergebnisse der Repräsentativerhebung*

Auf die Frage, welches dieser Modelle in Deutschland eingeführt werden sollte, entschieden sich:

  • 57 Prozent für Nutri-Score®
  • 28 Prozent für das MRI-Modell
  • 7 Prozent für Keyhole®
  • 5 Prozent für das BLL-Modell

Testaufgaben zeigen, dass der Nutri-Score® unter den vier untersuchten Modellen am besten verstanden wird:

  • Nutri-Score®: 70 Prozent der Befragten konnten Testaufgaben zur Einordnung eines Lebensmittels vollständig richtig lösen
  • MRI-Modell: 60 Prozent
  • Keyhole®: 35 Prozent
  • BLL-Modell: 21 Prozent

Die höchsten Empfehlungswerte erreicht Nutri-Score® in zwei besonders relevanten Verbrauchergruppen:

  • bei Personen, die sich selten oder gar nicht mit der Zusammensetzung von Lebensmitteln beschäftigen (67 Prozent)
  • bei Personen mit Adipositas, Body-Mass-Index (BMI) über 30 (64 Prozent)

Die Ergebnisse im Detail finden Sie auf der Homepage des Bundesministeriums

Verbraucherverände begrüßen die Entscheidung

Da der Nutri-Score® in Deutschland allerdings nur freiwillig eingeführt werden kann, haben Lebensmittelhersteller die Wahl, ob sie die Kennzeichnung verwenden oder nicht. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) appelliert an die Unternehmen der deutschen Lebensmittelwirtschaft, die Nährwertampel so schnell wie möglich auf ihren Produkten zu nutzen. "Denn nur wenn eine große Zahl an Produkten gekennzeichnet ist, können Verbraucher tatsächlich vergleichen – und eine gesündere Wahl treffen", so der vzbv.

Die Verbraucherverbände und Organisationen wie foodwatch fordern zudem, dass die Nutri-Score®-Ampel zum verpflichtenden Modell in Europa wird.

Bereits Mitte August hatte die Verbraucherorganisation Foodwatch gemeinsam mit Ärztevereinigungen und medizinischen Fachgesellschaften wie dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte oder der Deutschen Diabetes Gesellschaft eine eigene repräsentative Forsa-Umfrage mit 1003 Teilnehmern vorgelegt. Sie schickte allerdings nur den Nutri-Score® und das Waben-Sterne-Modell des Max-Rubner-Instituts (MRI) ins Rennen. Auch bei der Studie lag das Nutri-Score®-Modell vorne (69% versus 25%)

* Studiendesign

Die INFO GmbH Markt- und Meinungsforschung hat im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine umfassende Studie zum Thema "Evaluation von erweiterten Nährwertkennzeichnungs-Modellen" durchgeführt. Ziel der Studie war es, eine fundierte Datengrundlage für die Evaluation von erweiterten Nährwertkennzeichnungs-Modellen zu erarbeiten, insbesondere um die EU-rechtlichen Vorgaben an eine erweiterte Nährwertkennzeichnung zu erfüllen.

In der Studie wurden der Nutri-Score®, das Modell des Lebensmittelverband Deutschland e.V. (vormals Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.; BLL), das Modell des Max Rubner-Instituts (MRI) und das Keyhole® vergleichend untersucht und bewertet. Die drei zentralen Untersuchungskriterien hierbei sind waren: die Wahrnehmung der Modelle, die Verständlichkeit, d.h., ob ein bestehendes System auch objektiv verständlich ist, sowie das Verständnis der Verbraucher/innen und damit die Frage, ob die Verbraucher das vorliegende Modell zutreffend interpretieren.

Im Rahmen der Studie wurden im ersten Schritt im Zeitraum Juli/August 2019 insgesamt 10 Fokusgruppendiskussionen durchgeführt, in denen es vor allem um die Anforderungen der Verbraucher/innen an ein solches erweitertes Nährwertkennzeichnungs-Modell und die Detailbewertung der verschiedenen Modelle ging.

Auf dieser Grundlage wurde der Fragenkatalog für den zweiten Schritt, der sich anschließenden Repräsentativbefragung, erarbeitet. Diese wurde mit insgesamt 1.604 Interviews durchgeführt.

 

Bildbeitrag: © BMEL/Janine Schmitz/photothek.net