Deutschland ist das letzte Land in der EU, in dem noch großflächig für Zigaretten und andere Tabakprodukte geworben werben darf. Doch jetzt wird die Luft wird dünner für die Tabakindustrie. Denn in der Koalitionsregierung scheint es immer mehr Befürworter für ein weitgehendes Verbot von Tabakwerbung auch auf Plakatwänden und im Kino zu geben.
Nach Julia Klöckner (CDU), der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, hat sich nun auch die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung für verschärfte Regeln bei der Tabakwerbung ausgesprochen. Und Unions-Fraktionsvize Gitta Connemann (CDU) als auch der zuständige SPD-Berichterstatter Rainer Spiering dringen auf ein baldiges Ergebnis. Beide sprachen sich jüngst gegenüber der dpa dafür aus, dass es auch ein Tabak-Außenwerbeverbot für sogenannte Tabakerhitzer geben soll. Offen ist noch, wie E-Zigaretten reguliert werden.
Wenn man die Konsumenten befragt, zeigt sich ein eindeutiges Meinungsbild. Eine aktuelle Studie der Uni Düsseldorf zeigt, dass die Deutschen nicht nur Werbung für herkömmliche Zigaretten mehrheitlich ablehnen. Auch Werbung für E-Zigaretten und Tabakerhitzer steht auf der Abschussliste. 57 Prozent der deutschen Konsumenten befürwortet ein vollständiges Werbeverbot für E-Zigaretten und Tabakerhitzer.
Der Markenverband bezweifelt, dass Werbeverbote der richtige Weg sind
Die Effektivität von Werbeverboten als Maßnahme zur Reduktion des Konsums der Produktgruppen im Bereich High Fat, Sugar and Salt und Genussmitteln muss laut Markenverband angezweifelt werden. Sie hat "zwar tendenziell einen Einfluss auf das Konsumverhalten", so der Verband in einer Stellungnahme, "das soziale Umfeld und die Sozialisation der Jugendlichen haben aber einen wesentlich stärkeren Einfluss auf das Konsumentenverhalten". Das zeige ein Gutachten des Institut für Marken und Kommunikationsforschung der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, das die Wirkung von Werbung und Effektivität von Werbeverboten auf das Konsumentenverhalten in diesen Produktgruppen anhand vorliegender wissenschaftlicher Erkenntnisse analysiert hat.
"Mit Werbeverboten beschreitet Politik nicht nur einen für sie "billigen", sondern auch den falschen Weg, wenn sie suggeriert, sie könne das Risiko von Tabak- oder Alkoholkonsum oder Fehlernährung bei Jugendlichen hierdurch senken. Fühlen sich Eltern hierdurch aus ihrer Pflicht zur Vorbildfunktion entlassen, wird ungesundes Verhalten bei Kindern und Jugendlichen zu- und nicht abnehmen.", so Christian Köhler, Hauptgeschäftsführer des Markenverbandes. Ein Werbeverbot ist also reine Symbolpolitik. Als ordnungspolitischer Dammbruch zerstört sie aber Märkte im Wettbewerb.
Im Vorfeld der Anhörung zum Tabakwerbeverbot im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Anfang Oktober hatten der Markenverband und die Organisation Werbungtreibende (OWM) das Institut für Marken und Kommunikationsforschung der EBS Universität für Wirtschaft und Recht beauftragt, ein Gutachten zur Wirkung von Werbung und Effektivität von Werbeverboten auf das Konsumentenverhalten im Kontext von High Fat, Sugar and Salt Produkten und Genussmitteln zu erstellen. Dazu wurden weltweit vorliegende Studienergebnisse und Beiträge analysiert.*
Die Ergebnisse der untersuchten Studien zeigen deutlich, so der Verband, "dass Werbung lediglich einer von vielen Einflussfaktoren ist, die auf den Konsum der untersuchten Kategorien wirken". In gesättigten Märkten kann Werbung den Konsum der untersuchten Produktgruppen somit nicht erhöhen, sie unterstütze nur die Differenzierung von Marken oder führe dazu, dass sich die Markenpräferenz innerhalb einer Kategorie verändere.
Für die Tabakindustrie wäre ein Werbeverbot natürlich ein schwerer Schlag
So hat zum Beispiel der E-Zigaretten-Anbieter Juul im Sommer gerade eine große Kampagne gestartet. Auch Philip Morris bewirbt vor allem auf Außenwerbeflächen seinen Tabakerhitzer Iqos und startete eine große Imagekampagne. Unter dem Motto "Unsmoke" fordert das Unternehmen Verbraucher dazu auf, mit dem Rauchen aufzuhören oder, falls sie es nicht schaffen, "zu wechseln". Der Zielgruppe dürfte klar sein, dass Philip Morris damit wohl seinen Tabakerhitzer meint.
Naturgemäß sieht der Deutsche Zigarettenverband (DZV) die Situation ganz anders: "Der Trend zum Nichtrauchen ist unter Kindern und Jugendlichen weiter ungebrochen", so der DZV. Die Raucherquote der 12- bis 17-Jährigen sei seit 2001 von 27,5 Prozent auf aktuell 6,6 Prozent zurückgegangen.
Im gleichen Zeitraum habe sich der Anteil der Minderjährigen, die noch nie geraucht haben, von 40,5 Prozent auf 82,7 Prozent mehr als verdoppelt. Auch im Bereich der E-Zigarette bzw. E-Shisha sei trotz deutlicher Umsatzzuwächse in diesem Marktsegment in den vergangenen Jahren kein Trend zu einer verstärkten Nutzung durch Jugendliche in Deutschland festzustellen – der Verband verweist als Quelle auf die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).
Der Zigarettenverband hat nach eigenen Angaben in den letzten Jahren mehr als eine halbe Millionen Jugendschutz-Aufkleber "Tabakwaren/E-Zigaretten nur ab 18" im Handel verteilt und in diesem Jahr ein webbasiertes Schulungsprogramm bereitgestellt, das bislang nach eigenen Angaben rund 1.800 Verkäuferinnen und Verkäufer aus dem Tabakwaren- und E-Zigaretten-Handel durchlaufen haben.
Der DZV verweist auch darauf, dass die werbliche Ansprache von Minderjährigen und Heranwachsenden den Tabakunternehmen schon heute gesetzlich untersagt sei.Durch den DZV-Werbekodex der Zigarettenhersteller wird mittels weitreichender Vorgaben, z.B. keine Werbung im Umfeld von Schulen und Jugendzentren oder keine Models unter 30 Jahren, sichergestellt, dass sich die Marketingaktivitäten nicht an diesen Personenkreis richten dürfen.
"Tabakwerbung zielt ausschließlich auf erwachsene Verbraucherinnen und Verbraucher. Ein Werbeverbot wird deswegen nicht zu einer weiteren Senkung der Raucherquote unter Minderjährigen führen. Es wäre ein klassisches Lehrbeispiel für reine Symbolpolitik", so der Geschäftsführer des DZV, jan Mücke. Mücke verwies exemplarisch auf das Nachbarland Frankreich, wo Tabakwerbung bereits seit 1991 kategorisch untersagt ist, jedoch auch heute weiterhin deutlich mehr Jugendliche zur Zigarette greifen als in Deutschland.
* Quelle: Gutachten "Die Auswirkungen von Werbung und Werbeverboten auf das Konsumentenverhalten", Institut für Marken und Kommunikationsforschung der EBS Universität für Wirtschaft und Recht