Fast 1 Mio. Jugendliche machen mit bei "Generation What"

Europäischer Abschlussbericht der Studie "Generation What?“ zeigt:  Europas Jugend hat nur wenig Vertrauen in Politik und Institutionen

Es ist die größte europäische Jugendstudie, die es jemals gab: An „Generation What?“ haben sich fast eine Million junger Menschen zwischen 18 und 34 Jahren aus 35 Ländern Europas beteiligt. Die gesamteuropäischen Ergebnisse zeichnen das Bild einer jungen Generation, die sich Gedanken über soziale Ungleichheiten macht und gleichzeitig der Politik und anderen Institutionen nicht zutraut, gesellschaftliche Probleme zu lösen.

"Generation What?" wurde von der EBU koordiniert und in Deutschland vom Bayerischen Rundfunk zusammen mit dem ZDF und dem SWR begleitet.

Vertrauen in die Politik gering

Das Ergebnis ist deutlich: 82 Prozent der jungen Menschen in Europa haben kein Vertrauen in die Politik (45 Prozent haben "überhaupt keines" und 37 Prozent haben "eher keines"). In Deutschland haben lediglich 23 Prozent überhaupt kein Vertrauen in die Politik. Das ist im Europavergleich der niedrigste Wert. Am stärksten unterscheiden sich die jungen Deutschen hier von den Griechen (67 Prozent), den Franzosen (62 Prozent) und den Italienern (60 Prozent).

Offenbar fühlen sich die bildungsferneren Schichten deutlich stärker von der Politik im Stich gelassen, denn je niedriger die Bildung, desto größer ist das Misstrauen. Während europaweit 50 Prozent der Befragten mit niedrigem Bildungsniveau der Politik völlig misstrauen, sind es bei den Hochgebildeten "nur" 41 Prozent. Auch das Alter spielt bei der Einschätzung, ob man der Politik vertrauen kann oder nicht, eine Rolle. Bei den 18- und 19-Jährigen sind es "nur" 37 Prozent, die der Politik völlig misstrauen, bei den 30- bis 34-Jährigen sind es dagegen 50 Prozent.

Ein Grund für das Misstrauen ist vermutlich die europaweite Zunahme sozialer Ungleichheiten: Fast neun von zehn Befragten nehmen eine wachsende Ungleichheit in ihrem jeweiligen Land wahr. Dieser Befund zieht sich durch alle Teilnehmerländer, er ist kein regionales Problem. Ebenfalls neun von zehn Befragten sind außerdem der Meinung, dass das Finanzsystem die Welt bestimmt. Zu diesem Eindruck der Befragten passt, dass in Deutschland die Angst vor sozialen Unruhen die am meisten verbreitete Zukunftsangst ist.

Wenig Vertrauen in Institutionen

Nicht nur die Politik hat einen schweren Stand bei der jungen Generation. Auch das Vertrauen in Medien und religiöse Institutionen ist nur gering ausgeprägt. Von allen Institutionen kommen die religiösen am schlechtesten weg: 58 Prozent der jungen Europäer vertrauen ihnen gar nicht und weitere 28 Prozent eher nicht. In keinem einzigen der befragten Länder finden sich mehr als drei Prozent junger Menschen, die religiösen Institutionen voll vertrauen. Besonders extrem fällt das Misstrauen in der Schweiz und Griechenland aus: Dort sagen 70 Prozent der jungen Leute, dass sie überhaupt kein Vertrauen in religiöse Institutionen haben.

Doch wer die junge Generation nur als "Nörgler" einschätzt, täuscht sich. Es gibt durchaus die Bereitschaft, sich aktiv einzubringen. Zum Beispiel in einer politischen Institution: Neun Prozent aller jungen Europäer haben hier bereits positive Erfahrungen gemacht. Für 31 Prozent ist institutionalisiertes politisches Engagement zwar Neuland, aber durchaus eine Überlegung wert. Dabei gibt es jedoch große Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern. Die Bereitschaft, in politischen Organisationen aktiv zu werden, ist in Deutschland mit Abstand am stärksten (44 Prozent) und am niedrigsten in Griechenland (13 Prozent).

Unter den deutschen Befragten ist auch der Anteil derer am niedrigsten, die politisches Engagement grundsätzlich für sich ausschließen (32 versus 52 Prozent europaweit). Für eine Aktivität in einer NGO ist am meisten Bereitschaft vorhanden (51 Prozent vs. 31 Prozent). Besonders in der jüngsten befragten Altersgruppe (18 bis 19 Jahre) kann man sich mit dem Gedanken, sich in einer Nichtregierungsorganisation zu engagieren, überdurchschnittlich häufig anfreunden (61 Prozent).
Europa kein Herzensprojekt, EU-Austritt kommt aber nicht infrage

Das Verhältnis der jungen Generation zum europäischen Projekt ist von einem deutlichen Pragmatismus geprägt: Obwohl man wenig Vertrauen in Europa hat und sich weitaus stärker mit dem eigenen Land oder der eigenen Region identifiziert, spricht sich nicht mal jeder Sechste für einen EU-Austritt des eigenen Landes aus.

Die Soziologen des SINUS-Instituts bewerten diese Ergebnisse folgendermaßen: "Trotz ihrer Fehler wird die Europäische Union von dem Großteil der jungen Europäer als nützlich für das eigene Land wahrgenommen. Man verbindet mit der EU aber nicht die Hoffnung, dass sie Lösungen zu den drängenden Problemen unserer Zeit findet." So sind es vor allem die mit wirtschaftlichen Problemen konfrontierten jungen Griechen, die sich am ehesten einen Austritt des eigenen Landes aus der EU vorstellen könnten.

Junge Generation blickt vorsichtig optimistisch in die Zukunft

Die jungen Europäer wurden gefragt, ob sie sehr pessimistisch, eher pessimistisch, eher optimistisch oder sehr optimistisch an die Zukunft denken. Es zeigt sich, dass jeweils nur etwas weniger als zehn Prozent völlig optimistisch oder völlig pessimistisch sind. In der Tendenz ist ein etwas größerer Anteil optimistisch als pessimistisch (55 Prozent versus 43 Prozent). Vor dem Hintergrund der Sorgen um wachsende Ungleichheit und dem geringen Vertrauen in die Institutionen ist es überraschend, dass der Großteil der jungen Menschen positiv in die Zukunft blickt.

Das SINUS-Institut erklärt dies mit einem "Bewältigungsoptimismus": "Das junge Europa ist mit zahlreichen Krisenerfahrungen aufgewachsen: dem 11. September 2001, dem Platzen der Internetblase, dem Crash der Finanzmärkte, der Klimaproblematik und zuletzt der Flüchtlingssituation. Die junge Generation hat gelernt, pragmatisch mit Ungewissheiten umzugehen."

Weitere Infos unter: www.generation-what.de

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