Sascha Ernst stellt in seiner Diplomarbeit aus dem Jahr 2010 grundlegende Erkenntnisse der Marketingkommunikation im Web 2.0 vor. Er fokussiert sich dabei auf die Fragestellung, wie junge Gruppen über virale Kampagnen zu erreichen sind.
Sascha Ernst stellt in seiner Arbeit „Marketingkommunikation im Web 2.0 – Mit viralen Kampagnen junge Gruppen erreichen“ die Frage, welche alternativen Kommunikationsformate denkbar sind, in einem Umfeld in dem zunehmend mit Reaktanz auf klassische kommerzielle Informationsstrategien reagiert wird. Die Reaktanz ist nicht allein auf dem Feld der „alten“ Medien (Fernsehen, Radio, Zeitung) zu beobachten, sie betrifft auch die Onlinekommunikationsstrategien. Als mögliche Alternative stellt er das Konzept des viralen Marketings vor. Grundlage ist das Internet mit der inhaltlichen Struktur des Web 2.0. Die angesprochene Zielgruppe ist die junge Generation der 14 – 39 Jährigen.
Sascha Ernst gibt dem Leser einen kurzen Überblick über die Grundzüge der Marketingkommunikation d. h. er stellt Fachtermini vor, gibt einen Einblick in die Probleme, Herausforderungen und Potenziale der Marketingkommunikation. Anschließend zeigt er, warum gerade die junge Generation für das virale Marketing interessant ist und aus welchen Bausteinen sich eine virale Marketingkampagne zusammensetzen kann.
Um virales Marketing zu verstehen, muss begriffen werden in welchen inhaltlichen Strukturen es seine Anwendung finden soll. Sascha Ernst führ t in diesem Zusammenhang den Begriff Web 2.0 auf. Web 2.0 wird bedeutsam durch die Verflechtung von Inhalten und sozialen Netzwerken. Das bedeutet, der User wird aus der Rolle des passiven Konsumenten herausgeholt und innerhalb eines sozialen Netzwerks zu einem aktiven Mitproduzenten von Inhalten, dem sog. User generated Content. Dieser Content steht einer Community, einer Masse, einer sozialen Bedeutung zur Verfügung. In dieser sozialen Bedeutungsebene muss laut einer Studie der Nielsen Company die Unternehmensbotschaft in Form von Empfehlungen hinein. Denn Empfehlungen aus einem sozialen Umfeld genießen die größte Wirksamkeit bei der Beeinflussung von Kaufentscheidungen.
Hier setzt nach Sascha Ernst das virale Marketing an. Der Begriff stammt aus dem Jahr 1989 und wurde verwendet als über das epidemische Ausbreiten des Apple Macintosh SE berichtet wurde. Der Begriff kann nicht einheitlich definiert werden, generell wird sich aber darauf verständigt, dass es sich hier um eine Bestrebung handelt, mit der Absicht zielgerichtet Unternehmensinhalte zu verbreiten. Die Verbreitung wird als Seeding bezeichnet. Ernst unterscheidet hier zwischen einfachem und erweitertem Seeding. Beim einfachen Seeding hat das Unternehmen nur einen minimalen Einfluss, d. h. die Zielgruppe muss von selbst aufmerksam werden. Die Gefahr ist dabei, dass nicht genügend Erstrezipienten die Maßnahmen aufgreifen und es nur zu einer geringen Verbreitungsgeschwindigkeit kommt. Beim erweiterten Seeding kommt es zu forcierenden Maßnahmen von Seiten der Unternehmen. Sie spielen Videos, Texte, Bilder auf entsprechende Plattformen, wie YouTube, Facebook oder Special Interest Foren.
Doch was macht eine virale Kampagne erfolgreich? Ernst stellt die verschiedenen Nutzertypen heraus. Für die junge Generation sind zwei Typen besonders interessant. Das sind erstens die „Jungen Hyperaktiven“, diese sind als Internetnutzer am Aktivsten. Sie machen ca. 10 Prozent aller Internetnutzer aus und ¾ aller Hyperaktiven sind unter 30 Jahren und weisen zu ca. 41% einen höheren Bildungsabschluss auf oder streben einen entsprechend hohen Abschluss an.
Was macht die Hyperaktiven so besonders?
Antwort: Sie nutzen alle Bereiche des Internets und zeigen sich besonders affin zu neuen Anwendungen. Sie verbringen den Großteil ihrer Zeit, ca. 4 Stunden, im Netz. Daraus lässt sich ableiten, dass der größte Teil ihres sozialen und emotionalen Daseins im Internet stattfindet.
Die zweite Nutzergruppe sind „Junge Flaneure“, sie sind zu 2/3 jünger als 30 Jahre und gehen mit dem Internet eher pragmatisch um. Sie suchen vorwiegend nach freizeitbezogenen Informationen, das heißt aber nicht, dass Sie Chats, Foren und E-Mails meiden. Die Flaneure verbringen 2 Stunden im Netz.
Die „Jungen Hyperaktiven“ und die „Jungen Flaneure“ lassen sich demnach als besonders geeignete Kommunikatoren der viralen Botschaft herausstellen. Für die erfolgreiche Kommunikation d. h. für die erfolgreiche Initiierung des Austauschprozesses nennt Ernst die Emotionen. Emotionen, so zeigen Studien erhöhen die Aufmerksamkeit für eine Botschaft. Konzentriert sich ein Unternehmen auf die Emotionalisierung ihres Kommunikationsprozesses, so wird die beabsichtigte Beeinflussung nicht oder nur in geringem Maß wahrgenommen. Werden die Emotionen mit Hilfe von Filmen und Bildern dargestellt, so erleichtert dies dem Rezipienten die Aufnahme. Besonders hilfreich bei der Darstellung sind bestimmt Schlüsselreize wie Kindchenschema oder erotische Reize.
Den Ablauf einer erfolgreichen Emotionalisierung beschreibt Ernst so:
Ein unerwarteter und unbekannter Reiz wird gesetzt. Es folgt eine Emotion, z. B. Überraschung, diese kann eine kognitive Dissonanz auslösen. Überraschung in diesem Fall: der Reiz entspricht nicht dem gewohnten Schema und wir steigern unsere Aufmerksamkeit. Dieser Prozess löst anschließend Emotionen aus, die positiv oder negativ kontiert sein können. Die Beschäftigung mit dem Reiz ist umso größer, je stärker Einstellungen oder Schemata in Frage gestellt werden. Diese Überraschung will der Rezipient mit anderen Individuen teilen.
Das heißt, er geht davon aus dass auch andere Personen den Inhalt interessant finden und gibt die Botschaft weiter. Der Kommunikationsprozess ist initiiert, der Virus kann verbreitet werden.
Mit großer Sachkenntnis beschreibt Sascha Ernst anschaulich den komplexen Ablauf des viralen Marketings und der Leser erhält eine erhellende Einführung in das Thema. Die Arbeit ist 2010 erschienen und das merkt man ihr leider an. Vieles was Ernst beschreibt ist 2010 richtig und stimmig kann jedoch mit der schnellen Medienentwicklung nicht mithalten. Nach E-Mails und YouTube ist eine riesige Bandbreite an neuen Kommunikationsplattformen hinzugekommen, die virales Marketing grundlegend beeinflussen, Twitter, Pinterest, Flickr etc.
Ebenfalls der Zeit der Veröffentlich geschuldet ist die fehlende Erwähnung von mobilen Endgeräten, als mögliche Verbreitungsträger von viralen Botschaften.
Unabhängig von der Zeit vermisst der Leser erfolgreiche Beispiele viralen Marketings wie etwa:
Die Flashmobs aus den Jahren 2009/2010, da ist vor allem die belgische Firma VTM zu nennen und die Telekom Flashmobs. Die großartigen interaktiven Tesa-Film Spots haben eine Klickzahl von fast 21.000.000.
Hier fallen zwei Punkte auf die unbedingt hätten Erwähnung finden müssen. Erstens, die Möglichkeit den User interaktiv an der Botschaft zu beteiligen. Wie es der Tesa Spot vormacht. Zweitens, die Gefahr durch zu große Emotionalisierung der Botschaft bzw. durch zu starke Hervorhebung des Unterhaltungsaspekts, zum Zwecke der Verbreitung, die eigentliche Unternehmensabsicht, einen Kaufanreiz zu schaffen, zu kannibalisieren.
Sascha Ernsts „Marketingkommunikation im Web 2.0 – Mit viralen Kampagnen junge Gruppen erreichen“ bleibt ein gutes Grundlagenwerk und erleichtert den Einstieg in ein kaum erforschtes Themenfeld.
Erschienen im Grin Verlag http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/160075.html#inside
76 Seiten, das E-Book kostet 29,99€, das Buch gibt es für 39,99€.