PISA-Studie: Deutschland hält hohes Leistungsniveau

Gute Ergebnisse in Naturwissenschaften, Mathematik und Lesen

Die Schülerinnen und Schüler in Deutschland zeigen in der PISA-Studie 2015 erneut gute Leistungen. Ihre Kompetenzen in Naturwissenschaften, Mathematik und Lesen übertreffen deutlich die Fähigkeiten im Durchschnitt der OECD-Staaten. Deutschland ist damit eines der wenigen Länder, die sich seit der ersten PISA-Studie 2000 in allen Bereichen gesteigert haben und das erreichte Niveau nun auch halten können.

Allerdings verschlechterten sich an den Gymnasien die Ergebnisse in den Naturwissenschaften, dem Schwerpunkt dieser Studie. Nach wie vor deutlich ist der Zusammenhang zwischen Kompetenzen und Zuwanderungshintergrund sowie sozioökonomischem Status der Eltern.

Bei der sechsten Studie des „Programme for International Student Assessment (PISA)“ wurden im Frühjahr 2015 in Deutschland die Kompetenzen von rund 6.500 15-jährigen Schülerinnen und Schülern aller Schularten getestet. Die Stichprobe ist repräsentativ. Weltweit nahmen 530.000 Jugendliche gleichen Alters in 72 Ländern teil, darunter die 35 Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die die Studie koordiniert.

Zum zweiten Mal nach 2006 lag der Schwerpunkt auf den Naturwissenschaften: Der Großteil der Tests befasste sich mit diesem Themengebiet, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen füllten zudem Fragebögen zum Unterricht aus. Erstmals bearbeiteten die 15-Jährigen die Aufgaben am Computer. Außerdem wandten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein verfeinertes Modell zur Skalierung der Daten an. Vergleiche der Ergebnisse mit früheren PISA-Studien sind deshalb schwieriger geworden.

„PISA 2015 zeigt, dass die Verbesserungen des Unterrichts in den deutschen Schulen seit Beginn der PISA-Erhebungen nachhaltig wirken. In kaum einem anderen OECD-Staat ist es gelungen, vergleichsweise niedrige Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler über die vergangenen 15 Jahre auf ein inzwischen konstant hohes Niveau anzuheben“, sagt Prof. Kristina Reiss vom Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der Technischen Universität München (TUM).

Das ZIB führt den deutschen Teil der Studie im Auftrag der Kultusministerkonferenz und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung durch. Am ZIB sind neben der TUM das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) und das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) beteiligt.

Naturwissenschaften: Kompetenzniveau bestätigt, aber weniger Leistungsstarke

In den Naturwissenschaften sind die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in Deutschland (509 Punkte) signifikant besser als im Durchschnitt der OECD-Staaten (493 Punkte). Deutschland gehört damit zu einer Gruppe von Ländern wie etwa Korea, Australien, Großbritannien, Niederlande und Schweiz, die der Spitzengruppe aus Japan, Estland, Finnland und Kanada folgt. Auch der Anteil der besonders Leistungsstarken ist hierzulande größer (10,6 % gegenüber 7,7 %), die Gruppe der besonders wenig kompetenten 15-Jährigen kleiner (17 % gegenüber 21,2 %) als im OECD-Schnitt.

Im Vergleich zu 2006, als die Naturwissenschaften zuletzt PISA-Schwerpunkt waren, sind die Resultate damit auf einem unverändert hohen Niveau. Allerdings ist der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit besonders hohen Kompetenzen gesunken. An den Gymnasien (585 Punkte) zeigen die Jugendlichen insgesamt etwas schlechtere Leistungen als vor neun Jahren. „Dieses Ergebnis deutet auf einen Nachholbedarf in der Spitzenförderung hin, die in Deutschland erst seit Kurzem auf der bildungspolitischen Agenda steht“, sagt Reiss. „Ansatzpunkte können eine erweiterte Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer, neue Unterrichtsformen und spezielle Angebote der Talententwicklung sein.“

Weniger Freude an Naturwissenschaften, kaum selbst entwickelte Experimente im Unterricht

In allen Schularten hat seit 2006 die Freude über und das Interesse an Naturwissenschaften nachgelassen. Auch das Bewusstsein der Jugendlichen, dass Naturwissenschaften im Leben wichtig sein können, und ihr Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten in diesen Fächern ist schwächer geworden. Dennoch können sich mehr Schülerinnen und Schüler vorstellen, einen naturwissenschaftlichen Beruf zu ergreifen (23 %). Dieser Wert liegt aber weiterhin unter dem OECD-Durchschnitt (30 %).

Im internationalen Vergleich nehmen die Jugendlichen relativ wenig Unterstützung, Rückmeldung und Differenzierung durch ihre Lehrerinnen und Lehrer wahr. Zudem geben 80 Prozent an, Experimente nur selten eigenständig planen zu können. Die Unterrichtstruktur hat sich damit seit 2006 kaum verändert. „Die Bildungsforschung zeigt aber, dass regelmäßige Experimente, die auch selbst entwickelt und ausgewertet werden, und der Bezug zum Alltag zu einem erfolgreichen Unterricht in den Naturwissenschaften gehören“, sagt Reiss.

Mathematik: Deutschland im oberen Drittel

In Mathematik bestätigen die Schülerinnen und Schüler ebenfalls ihren Leistungsstand und kommen mit 506 Punkten auf einen Rangplatz im oberen Drittel der OECD-Staaten. 2012, als dieses Kompetenzfeld der Schwerpunkt der PISA-Studie war, führten die Leistungen zu einer ähnlichen Platzierung. Allerdings ist an den Gymnasien der Anteil besonders leistungsstarker 15-Jähriger gesunken. In den Jahren vor 2012 waren die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler in Mathematik deutlich gewachsen, der Anteil leistungsschwacher Jugendlicher war gesunken.

Lesen: Gruppe der besonders Leistungsstarken wächst

Auch im dritten Kompetenzfeld, dem Lesen, zeigen die Schülerinnen und Schüler in Deutschland überdurchschnittliche Fähigkeiten (509 Punkte). Deutschland steht hier ebenfalls im oberen Drittel der OECD-Staaten. Zwischen 2009, als die Lesekompetenz zuletzt Schwerpunkt der PISA-Studie war, und 2012 hatten sich die Jugendlichen deutlich gesteigert, die Zahl der Leistungsschwachen hatte sich reduziert. Nun bestätigt sich dieses Niveau, und die Gruppe der besonders Leistungsstarken ist gewachsen.

Jungen überflügeln Mädchen in Naturwissenschaften und holen im Lesen auf

In allen drei Kompetenzfeldern gibt es Leistungsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen. In den Naturwissenschaften erreichen die Jungen zum ersten Mal bessere Ergebnisse als die Mädchen (10 Punkte Differenz). Jungen sind vor allem in den Bereichen „Physikalische Systeme“ und „Erd- und Weltraumsysteme“ kompetenter, nicht aber im Feld „Lebende Systeme“, also im Wesentlichen in Biologie. Jungen (27 %) können sich hierzulande auch eher vorstellen, in einem naturwissenschaftlichen Beruf zu arbeiten als Mädchen (18 %).

Auch in Mathematik sind die Jungen kompetenter. Im oberen Leistungsbereich ist ihr Anteil größer, im unteren der Anteil der Mädchen. Deutschland gehört zu den OECD-Staaten, in denen die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern mit am größten ist. Im Lesen zeigen dagegen die Mädchen die deutlich besseren Fähigkeiten. Allerdings hat sich hier der Unterschied zu den Jungen im Vergleich zu sämtlichen früheren PISA-Studien halbiert.

Zuwanderungshintergrund und Einkommen der Eltern spielen weiterhin eine große Rolle

Schülerinnen und Schüler mit einem Zuwanderungshintergrund erreichen im Durchschnitt deutlich schlechtere Ergebnisse in den Naturwissenschaften (471 Punkte gegenüber 532 Punkten bei Schülerinnen und Schüler ohne Zuwanderungshintergrund). Dieser Leistungsstand hat sich seit der PISA-Studie 2006 nicht signifikant verändert. Die Studien 2009 und 2012 hatten dagegen gezeigt, dass sich die Fähigkeiten dieser Jugendlichen in Mathematik und im Lesen verbessert hatten.

Auch der Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status der Eltern und den naturwissenschaftlichen Leistungen ihrer Kinder besteht weiterhin, ist allerdings seit 2006 geringer geworden. „Eine der größten Herausforderungen des deutschen Bildungssystems ist noch längst nicht bewältigt“, sagt Reiss. „Wissen und Können der Jugendlichen dürfen nicht von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft und dem Einkommen ihrer Eltern abhängen.“

Hinweise zu diesem Text:
  • Der Text verzichtet bewusst auf die Nennung einzelner Rangplätze der Staaten. Der Grund: Die Unterschiede zwischen den Punktzahlen, die die Schülerinnen und Schüler der einzelnen Staaten erreicht haben, sind teils so gering, dass sie statistisch nicht signifikant sind.
  • Die Vergleiche zwischen den Staaten beziehen sich auf die OECD-Staaten, nicht aber auf die anderen teilnehmenden Länder. Hintergrund ist eine bessere Vergleichbarkeit mit früheren PISA-Studien sowie weitere Faktoren, die Vergleiche außerhalb der OECD erschweren, wie etwa die Tatsache, dass in manchen Staaten nur einzelne Regionen teilnehmen.
  • Die drei Kompetenzfelder Naturwissenschaften, Mathematik und Lesen bilden im Wechsel alle neun Jahre den Schwerpunkt einer PISA-Studie. Vergleiche zu früheren PISA-Studien beziehen sich in der Regel auf die jeweils vorausgegangenen Schwerpunkt-Studien, da diese aufgrund des Umfangs und der größeren Differenzierung den geeignetsten Bezugspunkt darstellen.

Studie: Reiss, K., Sälzer, C., Schiepe-Tiska, A., Klieme, E. & Köller, O. (2016). PISA 2015. Eine Studie zwischen Kontinuität und Innovation. Münster: Waxmann

Abrufbar auf www.pisa.tum.de

Quelle: TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN

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