Die Käufer von (über)morgen

Über den Kongress KIDS.TEENS & MARKE 2017

Kinder sind die Konsumenten von morgen und spielen jetzt eine entscheidende Rolle bei den Kaufentscheidungen innerhalb ihrer Familie. Markenstrategen haben längst das Potential von Kinder-Marketing erkannt und wissen um die Notwendigkeit, sie möglichst früh zu binden. Doch gerade kindgerechte Markenkommunikation ist eine besondere Herausforderung.

Es gilt: Was heute in ist, kann morgen schon längst wieder out sein. Umso wichtiger also, sich über Trends und erfolgreiche Markenstrategien zu informieren. Wie also sieht die Markenwahrnehmung von Kindern im Jahr 2017 aus?

Von Sebastian Zahn
Kids+Teens M17_PJK5735Auf diese Fragen sollte der Kongress KIDS.TEENS & Marke vom 20. bis 21. März 2017 in Köln eine Antwort geben. Über 250 Teilnehmer fanden sich zur siebten Ausgabe der Veranstaltung in Köln ein. 2017 fand der Kongress mit neuem Namen und zum ersten Mal an zwei Tagen statt. Themenschwerpunkte waren dabei

 

 

  • Mediale Unterhaltung (20.03.17)
  • Sport (20.03.17)
  • Mediakreation (20.03.17)
  • Gesundheit (20.03.17)
  • Kindgerecht (20.03.17)
  • Touchpoints (21.03.17)
  • Beruf und Marke 1& 2 (21.03.17)
  • Ausbildungsmarketing (21.03.17)
  • Interaktivität (21.03.17)

Zielgruppe der Veranstaltung sind Branchenexperten, Institutionen, Bildungsträger, Markenentscheider und natürlich Sponsoren.

Marken-Kinder – eine Allgemeine Einordnung

Zunächst gab es einen Überblick über die Markenwahrnehmung von Kindern. Für die Studie Marken-Kinder von KB&B in Zusammenarbeit mit KIDS.TEENS & MARKE wurden 892 Kinder im Alter zwischen 1 Jahr und 13 Jahren befragt. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass Kinder im Laufe ihres Heranwachsens Marken als immer wichtiger wahrnehmen.

Über die Hälfte (59%) der Befragten 13-Jährigen empfinden Marken als wichtig bis sehr wichtig. Die Steigerung der Markenwahrnehmung beginnt in etwa mit dem 6. Lebensjahr. Das überträgt sich auf die Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens.

Für Kinder aus der Grundschule ist die Marke vor allem bei Spielzeug wichtig. Kinder aus der Sekundarstufe 1 orientieren sich beim Kauf von Schuhen, Kleidung und Handys an Marken. Marken werden dabei vor allem über das Fernsehen (68%) und über Freunde (57%) entdeckt. Kaum eine Rolle spielen Außenwerbung (15%) das Radio (14%)und Social Media-Kanäle (13%).

KIDS.TEENS & MARKE – Der Teen Kongress

1. Teil – Jugend und Medien oder das lineare Fernsehen lebt
Das lineare Fernsehen

Der zweite Kongresstag (21.03.17) lieferte interessante Erkenntnisse zum Mediennutzungsverhalten im Rahmen von Medien-Marken und bot dabei Impulse, die Arbeit von Medienhäusern kritisch zu beleuchten. Die überraschendste Erkenntnis schon zu Beginn des Tages: Das lineare Fernsehen ist nicht tot.

Glaubt man dem Youth Insight Panel (YIP) der BRAVOfamily, vorgestellt vom „BRAVO“-Marktforscher Rolf Gagelmann und der „BRAVO“-Anzeigenleiterin Vanessa Palten-Rossi (beide Bauer Media Group), so schauen acht von zehn Mädchen und neun von zehn Jungs regelmäßig Fernsehen.

Video ON-Demand-Angebote werden als ergänzende Dienste dazu geschaltet, ersetzen das lineare Fernsehen aber nicht. Das Panel wurde zum dritten Mal herausgegeben und umfasst insgesamt 6800 Panellisten, wobei für die aktuellen Daten eine Stichprobe von 988 Jugendlichen ausgewertet wurde. Gefragt wurde mithilfe einer Online-Befragung. Das Alter der Befragten liegt zwischen 10 und 19 Jahren, wobei 80% weiblich und 20% männlich sind.

bravo kids teens marke 2017

@BRAVO|Bravo Jugendstudie

Jugendliche immer Online

Ein weiteres Vorurteil, so die Macher der Studie, ist, dass Jugendliche immer online sind. Das kann so nicht bestätigt werden – denn „es kommt darauf an.“ Jugendliche nutzen vielmehr das Beste aus der analogen und der digitalen Medienwelt. Wenn sie Lust haben auf Comedy und Unterhaltung wird z. B. gerne auf YouTube oder Instagram zurückgegriffen. Wenn es aber darauf ankommt Nachrichten zu rezipieren, vertrauen Jugendliche eher den klassischen Medien, wie z.B. dem Fernsehen.

Intensives Mediennutzungsverhalten

Wie schon erwähnt lassen sich keine Pauschalaussagen treffen – es hängt von den individuellen Bedürfnissen ab. Social Media-Dienste wie WhatsApp sind dafür da, „Freunde in der Tasche zu haben“ (Zitat aus der Studie) oder „niemals alleine zu sein“. Das Radio dagegen wird als treuer Begleiter angesehen, über den auch mal Nachrichten des Tages aufgenommen werden. Zeitschriften dagegen dienen häufig der Inspiration und Orientierung und legen Inhalte Nahe, auf die die Befragten von alleine nicht gekommen wären.

Facebook stürzt ab

Facebook spielt so gut wie keine Rolle mehr bei den jungen Befragten. Nur 13% der Mädchen und 20% der Jungs nutzen Facebook. Der Kanal zur Kommunikation unter Jugendlichen ist WhatsApp. Auf Platz zwei, bei den Mädchen, liegt Instagram vor YouTube. Bei den Jungs behält YouTube die Silbermedaille.

Warum nutzen die Jugendlichen kein Facebook mehr? Drei Gründe lassen dafür finden. Erstens sehen sie ein Datensicherheits-Leck bei Facebook. Das WhatsApp weit unsicherer ist, darauf wird aber nicht eingegangen. Zweitens soll wie schon erwähnt, das Beste aus der Medienwelt herauspickt werden. Im Mittelpunkt steht die Wahlmöglichkeit. Facebook, so die Meinung der Jugendlichen, ist zu sehr als Plattform konzentriert. Und schließlich drittens – Facebook ist nur was für alte Leute. Dieses Argument fiel auch im Anschluss, im Gespräch mit fünf Jugendlichen, immer wieder.

YouTube als TV der Zukunft – überbewertet

Es heißt oft, dass YouTube das lineare Fernsehen abgelöst hat. Auch dieser Punkt wird durch die Studie widerlegt. Die Befragten geben an, dass sie nur ca. 45 Minuten am Stück YouTube nutzen. Warum nur so verhältnismäßig kurz? YouTube ist vor allem ein Kanal für das Handy. Und auf dem Handy werden längere Videos eher weniger geschaut.

Zusammenfassung

Die Panel-Studie der BRAVOfamily gibt einen interessanten Einblick in das Mediennutzungsverhalten von Jugendlichen. Vor allem belegt sie eindrucksvoll, dass Print nicht tot ist. Gerade die 10- bis 14-Jährigen nutzen noch verstärkt klassische Medien. Das dürfte die „BRAVO“-Print-Macher und Initiatoren der Studie sicher beruhigen. Aber auch die Relevanz wird deutlich, auf anderen Kanälen präsent zu sein. Denn was die Jugendlichen nicht im Magazin finden, das suchen sie auf sozialen Kanälen.

Jugendliche sprechen lassen

Daran anschließend wurden fünf Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren auf die Bühne gebeten, um über Jugendsprache und jugendliches Mediennutzungsverhalten zu berichten. Natürlich können die Jugendlichen nur für sich sprechen. Interessant war jedoch die Einigkeit darüber, dass a) Jugendsprache in der Werbung abgelehnt wird, b) das klassische Fernsehen uninteressanter ist („Nur Assi-TV“), c) auf Serien gesetzt wird, die über Amazon Prime oder Netflix rezipiert werden können und d) Nachrichten verunsichern („Ich weiß nicht mehr, was wahr ist und was nicht“.)

Sicherlich lässt sich auf Basis dieser Fokus-Gruppe kein einheitliches Bild über die Einstellung der Jugendlichen zeichnen. Es zeigt aber, gerade im Hinblick auf das Unterhaltungsangebot und Informationsangebot im Fernsehen, dass sich Jugendliche nicht mit Trash-Formaten abspeisen lassen. Und wie wichtig vertrauensvolle Nachrichten sind, um a) das Interesse für Nachrichten zu wecken und b) das Weltgeschehen überhaupt einordnen zu können.

2. Teil – Fallbeispiel oder der Werbeblock beginnt

Im zweiten Teil des Kongresses wurden unterschiedliche Beispiele aus der Medienwelt der Jugendlichen herangezogen. Die ESL wurde vorgestellt, nach eigenen Angaben die größte esports-Liga der Welt und die Jugendschutzvorsorge von EA (Electronic Arts). Darüber hinaus erhielt die „BRAVO“ eine weitere Möglichkeit sich zu präsentieren. Der „BravoSport“-Redakteur präsentierte sein Heft.

Digitaler Sport

Die ESL veranstaltet esports Events. Esports bezeichnet einen Wettkampf unter Profi-Videospielern und dazu zählen laut League of Legend ungefähr 80 Millionen weltweit – ein gewaltiges Phänomen also. Die ESL kämpft dafür, dass esports als Sportart anerkannt wird – und begründet dies vor allem durch die hohen Zuschauerzahlen. So hat esports 2017 in Amerika genauso viele Zuschauer wie die NFL.

Weitere Zahlen und Statistiken über die Relevanz von esports folgten. Ein noch stärkerer Themenbezug wäre wünschenswert gewesen – wie hat es die ESL geschafft in 15 Jahren von einem kleinen Veranstaltungsraum im Hinterhof eines Kölner Kaffees zu einem Stadion füllenden Eventgiganten zu werden? Das wurde leider nicht deutlich – bedauerlich, denn dadurch hätten sich interessante Ansätze für mögliche Markenstrategien ergeben können.

esl kids teens marke 2017

© ESL|esport Event in Köln veranstaltet von der ESL

Spielen geht nicht ohne Jugendschutz

Der Pressesprecher von EA Electronic Arts referierte über den Jugendschutz für Computerspiele und die Herausforderungen. Ein Großteil der Spiele (75%) verfügt demnach über eine Freigabe zwischen 0, 6 und 12 Jahren. Weiter wurde über das richtige Verhalten der Eltern gesprochen, welche Sicherheitsmaßnahmen also möglich sind – Stichwort Safety by Design. Diese Diskussion verdient sicher ein eigenes Panel und passt nicht ganz zum Kongress.

Gerade zum Ende hin wurde um den monokausalen Zusammenhang „Ballerspiele fördern Gewalt“ diskutiert. Diese Diskussion konnte auf Grund der fehlenden Zeit leider nicht gewinnbringend geführt werden.

Vermarktung im Doppelpass

Um hochgradig vernetzte Teenager abzuholen, findet die Kommunikation von „BRAVOSport“ auf unterschiedlichen Kanälen statt. Der Redakteur von „BRAVO Sport“ sprach im Rahmen seines Vortrages folgende Fragen an:

  • Welche Wege der Kooperation mit Marken bestehen?
  • Inwieweit besteht noch eine Trennung von Redaktion und Werbung?

„BRAVOSport“ richtet sich an 10- bis 19-Jährige. 80% der Leser sind Jungs, das Durchschnittsalter liegt bei ca. 13 Jahren. Der Redakteur beschrieb in seinem Vortrag wie er die Zahlen aus der Marktanalyse –siehe Youth Insight Panel – für die inhaltliche Gestaltung des Heftes nutzt. Die männlichen Leser wünschen sich demnach Tipps zur Ernährung und Gewinnspiele. Genau das sollen sie auch bekommen – dazu gab es beispielsweise ein Interview mit dem Torwart von Borussia Mönchengladbach über gesunde Ernährung. Für das Gewinnspiel ließ man sich im Rahmen eines Adventskalenders spannende Preise einfallen und bewarb diese über einen eigenen YouTube Channel, der sich schnell und einfach mithilfe eines QR-Codes in jedem Adventstürchen öffnen ließ.

Leider wurde das Thema „Trennung von Redaktion und Werbung“ kaum angesprochen. Denn eine Werbekennzeichnung findet kaum statt und der Übergang zur Werbung ist fließend. Auch zu diesem Thema fand leider aus Zeitgründen keine Diskussion statt.

Dabei wäre eine kritische Auseinandersetzung mit Werbeformaten sehr wünschenswert gewesen. Gerade in der Paneldiskussion hat sich gezeigt, dass die Jugendlichen bei Schleichwerbung mit Reaktanz reagieren. Und eine führt dazu dass das Misstrauen gegenüber Nachrichten weiter wächst.

Zusammenfassung und Wünsche für die Zukunft

Der Beginn des Kongresses war sehr überzeugend. Sehr gut wurden Theorie und Praxis verknüpft und die empirischen Ergebnisse an der Wirklichkeit geprüft. Die Verknüpfung von Quantität und Qualität brachte viele Erkenntnisse. Die Präsentationen im zweiten Teil waren leider häufig eher Unternehmenspräsentationen mit geringem Mehrwert.

Wünschenswert wäre, die einzelnen Präsentationen kürzer zu halten und weniger auf einzelne Unternehmen zu fokussieren. Stattdessen sollten mehr Fallbeispiele präsentiert werden und diese kritisch im Plenum diskutiert werden können.

Empfehlenswert wäre es auch, die zahlreichen Experten im Publikum stärker einzubinden, idealerweise sogar im Rahmen eines Workshop-Konzepts.

KIDS.TEENS & MARKE findet im nächsten Jahr am 12./13. März 2018 in Köln statt. Jungezielgruppen.de ist Medienpartner der Veranstaltungsreihe.

 

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