Jurastudenten: Kanzleien so beliebt wie seit fünf Jahren nicht

Studie untersucht Wunscharbeitgeber der Nachwuchsjuristen

Seit Jahren verlieren die großen Kanzleien an Attraktivität als Arbeitgeber. Nun steigen sie wieder in der Gunst der Nachwuchsjuristen: um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wirtschaftsunternehmen verlieren hingegen Bewerber mit juristischem Abschluss.

Zwei Entwicklungen sind für dieses Ergebnis verantwortlich: Deutlich mehr Frauen entscheiden sich für eine Anwaltskarriere und Kanzleien investieren wieder stärker in die Nachwuchsgewinnung. Das ist das Ergebnis des trendence Graduate Barometers, einer Studie, die das trendence Institut jährlich unter 2.000 Nachwuchsjuristen durchführt.

Auswärtiges Amt bleibt Wunscharbeitgeber Nummer eins

Die obersten Plätze im Ranking der beliebtesten Arbeitgeber der Nachwuchsjuristen sind dominiert vom öffentlichen Sektor: Das Auswärtige Amt bleibt Wunscharbeitgeber Nummer eins, die Europäische Kommission belegt Rang 3, das Bundeskriminalamt folgt auf Rang 4. A

ls einzige Kanzlei platziert sich Freshfields Bruckhaus Deringer dazwischen auf Rang 2 und schafft es nach langem Abwärtstrend, die Zahl seiner potenziellen Bewerber wieder deutlich zu erhöhen. Die bestplatzierten Wirtschaftsunternehmen sind BMW und AUDI auf den Rängen 7 und 8.

Wunschgehalt erstmals über 70.000 Euro – Gender Gap wird kleiner

In diesem Jahr fordern die Nachwuchsjuristen 9,3 Prozent mehr Gehalt im Vergleich zum Vorjahr. Ihre Forderungen steigen von 66.500 Euro brutto auf 72.700 Euro. Ein Grund dafür ist der außergewöhnlich hohe Anstieg der Gehaltsforderungen der Frauen. In den vergangenen vier Jahren lag das Wunschgehalt der Nachwuchsjuristinnen stets 20 Prozent unter dem Wunschgehalt der Männer.

In diesem Jahr erhöhen sie ihre Forderungen um 7.900 Euro auf nun 67.400 Euro. Damit liegt ihr Wunschgehalt jetzt 13 Prozent unter dem der Männer mit 77.600 Euro. trendence-Geschäftsführer Holger Koch relativiert: „Seit 2003 hat sich die Lücke zwischen den Gehaltswünschen der Frauen und Männer vergrößert. Heute sind wir wieder auf dem Stand von 2003 angekommen. Frauen müssen noch deutlich selbstbewusster in die Gehaltsverhandlungen gehen, wenn sie aus eigener Kraft die Gender Pay Gap schließen wollen.“

Mehr Frauen entscheiden sich für eine Karriere als Anwältin

Bei Frauen sind Kanzleien als Arbeitgeber so beliebt wie seit fünf Jahren nicht mehr. Neben Freshfields Bruckhaus Deringer überzeugen auch Hengeler Müller (Rang 5) und CMS Hasche Sigle (Rang 6) in diesem Jahr deutlich mehr Frauen davon, sich bei ihnen zu bewerben. „Von allein passiert das freilich nicht“, so Holger Koch. „Die Kanzleien haben in den vergangenen Jahren erkannt, dass sie gegen den Wettbewerb aus den Wirtschaftsunternehmen aktiv werden müssen und dass ein großes Potenzial im Recruiting speziell von Frauen liegt.“

Auch kleinere Kanzleien buhlen um den Nachwuchs

Dass aktives Personalmarketing Erfolg hat, zeigt sich auch bei Kanzleien weiter unten im Ranking. Kirkland & Ellis hat in den vergangenen Jahren viel Zeit und Energie in die Nachwuchsgewinnung gesteckt. 2012 lag die Kanzlei noch auf Rang 91 der Wunschliste der Nachwuchsjuristen; in diesem Jahr landet sie auf Rang 50 und hat die Zahl der potenziellen Bewerber im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.

Andere Kanzleien investieren kaum in die Nachwuchsgewinnung und büßen in der Gunst der Nachwuchsjuristen ein. Taylor Wessing lag beispielsweise vor neun Jahren noch auf Rang 16 der beliebtesten Arbeitgeber; jetzt ist die Kanzlei erstmals aus den Top 50 gefallen und landet auf Rang 55.

Brexit verheißt Engpass an Top-Wirtschaftsrechtlern

Nach Einschätzung von trendence-Geschäftsführer Holger Koch wird der Brexit den Wettbewerb um die besten Nachwuchsjuristen anheizen: „Durch den Brexit  steigt der Bedarf an Top-Juristen, die sich auf internationales Handels- und Kartellrecht spezialisiert haben. Für Nachwuchsjuristen bedeutet das zweierlei: Rund um den Brexit warten zum einen viele spannende Aufgaben in den großen Kanzleien für Wirtschaftsrecht – immerhin wichtiges Kriterium bei der Arbeitgeberwahl für 96 Prozent der Nachwuchsjuristen.

Zum anderen können sie sich mit der entsprechenden Spezialisierung den Arbeitgeber aussuchen. Für Wirtschaftskanzleien bedeutet es auf der anderen Seite, dass sie noch stärker um die Gunst der Wirtschaftsrechtler buhlen müssen und dabei auch klar mit den neuen Arbeitsaufgaben, die der Brexit mit sich bringt, werben sollten, um sich von anderen Kanzleien abzuheben.“

Über die Studie

Deutschlands nach eigenen Angaben größte Absolventenstudie mit rund 37.000 Teilnehmern (Fächergruppen u.a. Business, Engineering, IT, Law) wird seit 1999 jährlich als Barometerstudie durchgeführt, die "Law Edition" umfasst  über 2.000 befragte Studierende und Referendare der Rechtswissenschaften sowie Volljuristen (High Potentials), Erhebungszeitraum war Mai bis Juni 2016.

Das komplette Ranking der beliebtesten Arbeitgeber finden Sie hier.